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Peter Hollo: Ein gutes neues Jahr!

"Ich wünsche Ihnen allen ein gutes neues Jahr!" Ich glaube noch nie habe ich das so wörtlich gemeint, wie für 2021. Ein gutes Jahr ist es, das wir alle brauchen und und uns so sehr wünschen. Und das auf ganz verschiedenen Ebenen. Ganz persönlich, in der Familie und selbstverständlich für unser Geschäft. 

 

Nichts dauert ewig, in guten Zeiten eine traurige Erkenntnis, in dunklen und verzweifelten Zeiten der aller letzte Funke der Hoffnung. Die Gewissheit, dass wir es schaffen werden ...und das werden wir! Soviel stet fest. 

 

Was wird uns 2021 also bringen? Zunächst kommt das Jahr mit einer massiven Erhöhung der Energiekosten daher - die CO2 Bepreisung ist da. Zyniker würden sagen, dafür sind wir ja auf die Straße gegangen. Heizen wird erheblich teurer und an der Tankstelle sehen wir eine Preiserhöhung von 11-13 Cent pro Liter. So wichtig Umweltschutz und nachhaltiges wirtschaften sind, mein Standpunkt dazu ist hinlänglich bekannt, und so sehr man jetzt mit Entlastungen winkt, mit ein klein wenig Lebenserfahrung wissen wir, es wird einfach teurer - Punkt! Und es trifft wieder die kleinen und mittleren Einkommen. Nicht die, die von stattlichen Transferleistungen leben, sondern die, die hart für ihr Geld arbeiten müssen. Diejenigen, die jetzt schon überdurchschnittlich viel für Wohnraum ausgeben müssen. Diejenigen, die mit Ihrem alten Diesel zur Arbeit pendeln, weil sie sich eben keinen schicken Plug-In-Hybriden leisten können. In normalen Zeiten schon schmerzhaft, aber in Zeiten einer tiefen Krise, wo Arbeitslosigkeit und ein immer härterer (gefühlter) Verteilungskampf winken, was den sozialen Frieden angeht, eine Entscheidung zur Unzeit. Deutschland besteht eben nicht nur aus Berlin Mitte und Fahrrad fahrenden umweltbewegten Ökohipstern, sondern auch aus weiten ländlichen Gebieten und gesellschaftlichen Schichten, die sich immer mehr abgehängt fühlen. Kein Wunder, dass sich diese immer abstruseren Ideologien hingeben. Elitär und besserwisserisch auf diese "Ewig-Gestrigen" herabzublicken, anstatt sie mitzunehmen, das wird den Riss in unserer Gesellschaft auch 2021 weiter vertiefen. Das gilt für Diesel-Diskussionen genauso, wie für politische Wohlanständigkeit.

 

Auch mit einem gewissen Zynismus gesprochen: hätte es Corona 2020 nicht gegeben, die ECommerce-Giganten dieser Welt hätten es ganz bestimmt am liebsten erfunden. Denn dafür gleicht die derzeitige Situation einem wahren Konjunkturprogramm. Bereits schon vor 2020 in großen Teilen auf verlorenem Posten, sorgt die Corona-Krise dafür, dass sich der stationäre Handel massiv bereinigen wird. 2021 wird das Jahr einer gewaltigen Pleitewelle, welche die Innenstädte leerfegen wird. Den bestehenden Lockdown und weitere, die noch kommen könnten, das wird der stationäre Handel in der jetzigen Breite nicht überleben. Viele, die nicht in einer eigenen Immobilie sitzen und nicht zusätzlich auf Multi-Channel gesetzt haben, die werden gehen müssen. Auch in unserer Branche. ECommerce Bashing? Nein. Denn zum einen sollte man niemand vorwerfen, dass er/sie das eigene Business versteht und zum anderen, während die Majors im ECommerce Millionen für die Optimierung ihrer Systeme ausgeben macht das im so genannten Fachhandel ganz oft immer noch der Neffe einer Verkäuferin nebenher, weil der so fit und so preiswert ist. Was wir uns als Gesellschaft allerdings überlegen müssen ist wie lange wir den Online-Multis noch erlauben wollen unsere gemeinsam als Gesellschaft erwirtschaften Ressourcen zum Nulltarif abzusaugen. Die zwar legale, aber zutiefst antisoziale Praxis, in Deutschland "keine Steuern" zahlen zu müssen, diesen Luxus sollten wir diesen Unternehmen nicht länger gewähren. Zum einen können wir uns das als Gesellschaft nicht leisten und zum anderen erklären Sie das mal einem Fachhändler, den beständig das Finanzamt piesackt, der Luftsteuer für seine Außenwerbung an die Kommune zahlt, oder keinen Dachaufsteller auf den Gehweg stellen darf, ohne dass das Ordnungsamt kommt.

 

Nicht nur für den stationären Handel wird´s schwierig. Auch für den ein oder anderen Verband wird das Jahr 2021 zum Jahr werden an dem Farbe bekannt werden muss. Kredite und Anleihen müssen nun einmal irgendwann zurückgezahlt werden, auch wenn sie einem erfolgreich über die letzten Jahre geholfen haben. Leben auf Pump und langfristige wirtschaftliche Sicherheit sind eben nicht das gleiche. Da sind die massiven Corona bedingten Einbrüche ganz sicher nicht hilfreich, aber auch ganz sicher nicht die einzige Ursache für dunkle Wolken am Horizont.

 

All das und noch viel mehr, wird auch an der Industrie nicht spurlos vorbei gehen. Denn irgendwann ist auch hier für einige Unternehmen der Tipping Point erreicht, wo wegbrechende Umsätze im stationären Handel, ob verbandsorganisiert oder die der großen Filialisten, anfangen die eigene wirtschaftliche Existenz zu gefährden. Denn ECommerce alleine wird an dieser Stelle nicht reichen. Je fachhandelsnäher das eigene Produkt, desto größer die Gefahr hier in den Abgrund gerissen zu werden. Es wird spannend sein zu sehen, ob die, die sich das noch leisten können, den stationären Handel stützen werden und/oder ob sie neue kreative Wege gehen. Dazu gehören eigene Shops, nicht die Flagshipstores, die nicht alle der große wirtschaftliche Erfolg sind, um es mal vorsichtig auszudrücken, eigene echte aggressive Online-Shops (auch unter Umgehung von Amazon) oder kreative Flächenkonzepte, bei denen sich die Industrie selbst auf Regalniveau um Warenlogistik, Sales und Marketing kümmert und der Handel "nur noch" Regalflächen vermietet.

 

Und wir werden sehen inwieweit sich das Messegeschäft verändert haben wird. Spannend zu sehen, und für mich noch nicht abschließend geklärt, ist ob das Credo stimmt, dass wir uns alle nach Präsenzmessen sehnen, nach Monaten der Abstinenz in 2020 und 2021. Oder ob sich auch hier, wie im Handel B2C schon seit Jahren, langfristig Besucher-/Kundenströme verschieben und einmal verlorene "Kunden" nicht wieder zurückkommen werden. Konkret steht die Frage im Raum "in welchem Ausmaß und wie schnell werden virtuelle Messen Präsenzmessen ersetzen?" und "werden große Präsenzmessen spätestens 2022 wieder zur üblichen Tagesordnung zurückkehren können oder werden hier Zugeständnisse gemacht werden müssen?". Ist auch für das Messegeschäft die gute alte Zeit nun Geschichte?

 

Wie viele von uns werden 2021ff im Home-Office bleiben, obwohl das Corona nicht mehr vorgibt? Zum einem weil wir das wollen und weil es bequem und effektiv ist. Und zum anderen weil clevere Controller*innen ausgerechnet haben, wie stark sich Unternehmen dadurch kostenmäßig entlasten können? Das heißt, könnte der Anspruch auf Home-Office vielleicht zu einer Pflicht von Home-Office werden? Das Home-Office als Normalität und wöchentliche/gelegentliche Meetings im Headquarter die Ausnahme? Vorbei mit den Statussymbolen des mittleren Managements, wie einem eigenen Büro und ein Hoch auf den eigenen Bürocontainer (auf Rollen)? Und wie sehen die Implikationen für die eh schon angeschlagene Immobilienwirtschaft aus? Platzt jetzt endlich die Blase und haben wir in den nächsten 5 Jahren Leerstände bei Büro-Immobilien wie noch nie? Werden all die in den letzten Jahren hochgezogenen Bürotürme zu Geisterstädten, weil Unternehmen plötzlich die finanziellen Chancen des flächendeckenden Home-Office umgesetzt haben? Auch diese Entwicklung wird spannend zu beobachten sein. Hier könnte sich eine der größten Disruptionen der Immobilienwirtschaft abzeichnen.

 

All das und vieles mehr werden wir uns gemeinsam in 2021 anschauen. Ich freue mich darauf und wünsche Ihnen ein gutes neues Jahr!

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