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Peter Hollo: Stell Dir vor es ist Kindertag...

...und keiner geht hin. Ganz selten passt ein verballhornter Sponti-Spruch aus den wilden Siebzigern so gut und trifft damit den Nagel so genau auf den Kopf. Aber woran liegt das? Und jetzt bitte nichts zum Thema künstliche oder gar kuriose Feiertage. Die grandiose Erfolgsgeschichte des Muttertags oder gar des Black Friday oder der Black Week in Deutschland sprechen da eine ganz andere Sprache. Als die Dichterin und Frauenrechtlerin Julia Ward Howe 1870 angesichts von Krieg und Sklaverei einen "Muttertag des Friedens" forderte und diese Idee 1907, Jahrzehnte später, von der Feministin Anna Jarvis wieder aufgenommen wurde, konnte noch niemand ahnen, dass aus dem einstmals pazifistisch feministischen Ansatz der Welttag der Blumenhändler und Pralinenproduzenten werden würde. Böse Zungen würden auch sagen, das er so dreist gekapert werden würde für den (schnöden) Kommerz. Und zum Black Friday oder der Black Week? Vor zwei oder drei Jahren wussten noch die wenigsten Deutschen was damit gemeint ist, heute übertreffen die Online-Umsätze das Weihnachtsgeschäft.

 

Deswegen noch einmal die Frage, warum ist das mit dem (Internationalen) Kindertag so zäh? Liegt´s am Weltkindertag, der im Gegensatz zum Internationalen Kindertag nicht am 1. Juni sondern von der UN für den 20. November ausgerufen wurde? Oder vielleicht am Kindertag am 20. September? Denn während man bis zur Wiedervereinigung in der DDR den Internationalen Kindertag am 1. Juni groß feierte, beging die BRD den eigentlich identischen Weltkindertag immer am 20. September fast lautlos. Ja, ich gebe zu, ich bin jetzt auch verwirrt.

 

Aber daran kann es nicht liegen. Sich auf den einen für die Spielwarenindustrie relevanten Tag zu einigen, das kann nicht das Problem sein. Und sehr ehrenhafte Versuche solch ein Saisonziel zu etablieren gab es ja. So machte der DVSI hier einen wirklich guten Job. Ohne Erfolg allerdings, weil nach erstem verhaltenen Anfangsinteresse am Schluss dann weder die Hersteller noch der Handel mitzogen - nicht aus bösem Willen oder Unvermögen. Eines jener Projekte, die irgendwie nicht richtig in die Gänge kommen und danach still und leise versanden. Und heute haben wir ein letztes Häuflein der Aufrechten, die sich Mühe geben ein solches (dringend) notwendiges Saisonziel (zur Mitte des Jahres) für die Spielwarenbranche aufrecht zu erhalten.

 

Lassen Sie uns alle gemeinsam die Sache noch einmal aufgreifen. Denn nicht nur Jammern ist die Sprache des Kaufmanns, sondern Mut, Entschlossenheit und in erster Linie Beharrlichkeit. Ich persönlich glaube immer noch das das machbar ist, als große gemeinsame Anstrengung. Als großes gemeinsames Projekt der Branche.

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Kommentare: 2
  • #1

    Ulrica Griffiths (Donnerstag, 28 Mai 2020)

    Meine Kritik am Kindertag ist seit 20 Jahren die Gleiche: Der Verbraucher ist wesentlich aufgeklärter als damals, als der Muttertag etabliert wurde. Die leider von Anfang an auf Konsum gerichtete Positionierung des Kindertags stieß damit auf blanken Zynismus . Übrigens lässt sich Black Friday genauso erklären - hier geht es offen darum, Schnäppchen zu machen und damit den Unternehmen ein Schnippchen zu schlagen. Kommunikation dient dazu, ein Flußbett zu graben, durch das später der Strom des Marketings fließen kann. Die Spielwarenindustrie hat kein Flußbett gegraben, sondern gleich Kommerz gemacht. Hinzu kommt ein weiterer Faktor: Mit dem Muttertag gleichen wir Schuldgefühle aus, wie 364 Tage Undankbarkeit und Ungehorsam als Kind oder 364 Tage mangelnde Unterstützung als Vater/Ehemann. Für Kinder und damit auch den Kindertag sind aber die Mütter zuständig und deren Konto an guten Taten für die Kids ist ja ohnehin schon prall gefüllt. Der Kindertag braucht eine neue Zielgruppe. Beide Begründungen sind übrigens auch dazu geeignet, den Unterschied zum DDR-Kindertag zu erklären: 1. Der Kindertag war nicht in erster Linie ein "Kommerztag", sondern wurde wirklich als Ehrentag des Kindes gelebt. Es wurde gefeiert, die Kinder waren "Chefs", man dachte daran, wie Kinder ind er ganzen Welt Frieden und Freude haben könnten (natürlich ideologisch eingebettet, aber es gab eben der Marke Kindertag den heute wieder so gefragten "Purpose".) 2. In der DDR waren viel stärker alle für die Kinder zuständig, der Staat, die Erzieher, die Väter, die Mütter und die Großeltern.

  • #2

    Peter Hollo (Donnerstag, 28 Mai 2020 13:01)

    Danke Ulrica für Deinen Beitrag. Eines möchte ich aber persönlich so nicht stehen lassen. Diese 364 Tage mangelnde Unterstützung als Ehemann. Bei mir sind´s maximal 2. Kannst gerne meine Frau Fragen ;o).