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Peter Hollo: Die Vertreibung aus dem Paradies?

Mit Paradiesen ist das so eine Sache. Zum einen merkt man meistens nicht, wenn man sich in einem befindet und zum anderen kommt man im Regelfall schlecht rein, fliegt aber fast unweigerlich wieder raus. Entweder durch eigene Schuld, durch Übermut und eigene Hybris oder weil sich einfach die Umstände ändern und niemand kann was dafür.

 

So etwas könnte der Spielwarenbranche zum ersten Mal seit beginn der schriftlichen Aufzeichnungen passieren: die Vertreibung aus dem Paradies.

 

Eines galt bisher als unumstößliches Naturgesetz: die Verbraucher*innen sparen an allem, nur nicht an ihren Kindern. Ergänzt durch eine weitere Binse: Q4 wird´s am Ende schon richten. 2022 könnte das alles ganz anders sein. Viel ist von der Zeitenwende die Rede. Und wenn wir das alle vielleicht nicht wahrhaben wollen, diese Zeitenwende betrifft nicht nur die anderen, sie betrifft auch uns. Vielleicht sogar sehr massiv, weil wir so etwas nicht gewöhnt sind.

 

Die derzeitigen Marktdaten geben wenig Grund für heitere Gelassenheit. Es geht abwärts, und rechnen wir die inflationsbedingten und sonstigen Preissteigerungen noch mit ein, sogar sehr massiv. Die Sicherheit, dass der Spielwarenmarkt, quasi entkoppelt vom restlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschehen so leicht steigend vor sich hindümpelt, die dürfte jetzt vorbei sein. Die Wirklichkeit hat uns eingeholt.

 

Warum? Weil es auf Verbraucherseite keine Budgets mehr zum verschieben gibt. Das Geld ist einfach weg! Es geht hier nicht um Psychologie oder um kurz- oder langfristige Überzeugungen der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern um die bittere Erkenntnis, der Geldbeutel ist leer. Seit Jahren pumpt die EZB Geld in den Markt und hat damit für eine langsam aber stetig steigende Inflation gesorgt. Der Angriff Russlands auf Westeuropa war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, bei weitem nicht deren Ursache. Energie ist fast nicht mehr zu bezahlen. Bis tief in den Mittelstand hinein sind die Kassen leer. Diejenigen, die vorher am Rande der Klippe standen, sind bereits darüber hinweg und der Rest wird immer weiter an deren Rand gedrängt. Es herrscht die nackte Angst. Wie kann einer von uns da noch annehmen Q4 2022 wird´s schon richten?

 

Und mehr noch. Was passiert denn in Q2 2023? Dann wenn die richtig fetten Nachzahlungen für die Nebenkostenabrechnungen von Millionen von Mietern fällig sind? Inklusive massiver Erhöhungen der Vorauszahlungen? Das wird den ein oder anderen Haushalt an den Rand der wirtschaftlichen Existenz bringen.

 

Gehen wir dann noch davon aus, dass die EZB nach dem fröhlichen Gelddrucken der Vorjahre jetzt noch die Zinsen auf ein Niveau erhöht, das nötig ist um die Inflation wirksam zu bekämpfen, dann haut es hunderttausende von Haushalten aus der Kurve. All die Häuslebauer*innen, die ihre Finanzierung auf der letzten Rille gerechnet haben, alle Unternehmenskredite, die nun kaum noch bedient werden können und vieles andere mehr. Das zeigt einmal mehr wie gefährlich es ist bei der Geldpolitik auf Preisstabilität zu achten. Am Schluss zahlen die die Zeche, die sich durch billige Kredite zu leichtsinnigen Schritten haben verleiten lassen und die mittleren und vor allem die kleinen Einkommen, die überdurchschnittlich viel für die Lebenshaltung ausgeben müssen. Das heißt, die hart arbeitende Bevölkerung, die sich nicht in Transferleistungen des Staates zurückgezogen hat.

 

Die Frage ist jetzt, was machen wir als Branche daraus? Zocken wir darauf, dass Q4 2022 doch alles gut wird und füllen unsere Läger auf dem üblichen Niveau? Und hoffen insgeheim darauf, dass wenn alles schlimm kommt, aus Asien eh nicht das geliefert wird, was man bestellt hat. Das gilt übrigens für die Industrie gleichermaßen wie für den Handel. Oder drosseln wir den Warenfluss und rechnen wir heute schon mit (massiven) Umsatzeinbrüchen in Q4 2022? Auf die Gefahr hin schon im November blank und mit heruntergelassenen Hosen dazustehen?

 

Und viel mehr noch, ist es für uns Sklaven des Quartalsberichts überhaupt möglich unseren Geldgebern zu erklären, dass es kein Wachstum geben wird oder kann und planen wir weiter so wie bisher und hoffen, dass es nicht so schlimm kommt. Und wenn doch hoffen wir eine plausible Erklärung aus dem Hut ziehen zu können?

 

Wie ist Ihre Meinung dazu? Wie reagieren Sie heute auf all diese Herausforderungen und auf viele mehr über die wir hier noch nicht gesprochen haben? Wo sehen Sie denn Ihre derzeitigen Herausforderungen und was ist Ihre Strategie? In den Kommentaren ist viel Platz für Ihre Einschätzung. Lassen Sie uns doch an Ihren Überlegen teilhaben. 

 

Ich freue mich auf Ihre Kommentare. Danke!

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