· 

Peter Hollo: Der Letzte macht das Licht aus

EK/Servicegroup und VEDES machen ihre Läger dicht. Es scheint ein tief verwurzelter Reflex des Menschen zu sein, in Zeiten der Not ziehen wir die Zugbrücke hoch. Wir schotten uns ab und kümmern uns um uns selbst. Was uns früher mal gegen Höhlenbären und fremde Krieger das Überleben gesichert hat, dass scheint sich in unserer so fortschrittlich geglaubten Welt zu wiederholen. Kooperationen sind etwas für schönes Wetter und Zeiten des Wohlstands. Angst und Not machen egoistisch. Unser Selbsterhaltungstrieb bestimmt von nun an unser Handeln. Wir sehen diese Entwicklung überall in Europa und selbstverständlich auch in unserer Branche. Kann man den handelnden Personen in diesem Falle mangelnde Zusammenarbeit oder gar mangelnden Altruismus vorwerfen? Schwer zu sagen. Aber ...und das ist unausweichlich, alles wird Folgen haben und nicht jeder kurzfristige Befreiungsschlag ist eine langfristige Strategie.

 

Die EK/Servicegroup ist mit einem eher ungeschickten Brief an ihre Lieferanten vorgeprescht und die VEDES zieht nun hinterher. Freundlicher und geschickter zwar, aber der Kern der Sache bleibt. Von den Vertragslieferanten wird erwartet, dass sie bis auf Einzelfälle ihre Lieferungen ab sofort einstellen und Aufträge ganz oder teilweise stornieren. Da fragt sich so mancher Lieferant, wie soll das gehen? Und woher kommt die natürliche Erwartungshaltung des Handels, dass die Industrie von nun an für alles aufkommt? Und das ist weit mehr als eine philosophische Frage. Das ist auch für viele Lieferanten eine Frage von wirtschaftlichem (Über-)Leben und Tod. Hier zu sagen "eingegangene Verpflichtungen gelten für mich einseitig nicht mehr in Zeiten der Not, komm klar" ...das wird noch für reichlich Zünd- und Diskussionsstoff sorgen.

 

Und das fatale daran? Es wird niemanden langfristig retten. Zunächst einmal rettet dieses Vorgehen, was überhaupt nicht ehrenrührig ist, die Verbände selbst ...eine gewisse Zeit. Deren Mitglieder rettet das nicht, nicht alle. Es ist ein offenes Geheimnis, dass weite Teile des in Verbänden organisierten Facheinzelhandels bereits schon vor Corona auf der letzten Rille gefahren sind. Jetzt sind die Läden zu. Jetzt geht einfach das Licht aus... und bei vielen nicht wieder an. Wenn nicht ein Wunder passiert, dann rollt demnächst eine nie gekannte Insolvenzwelle durch den deutschen Facheinzelhandel, nicht nur durch den Spielwarenfacheinzelhandel. Und durch die Industrie gleich mit. Auch die Lage der deutschen mittelständischen Spielwarenindustrie war schon vor Corona in Teilen prekär. Auch diese Unternehmen wird es wegwischen. Marktbereinigung nennt man diesen Euphemismus. In Wahrheit eine wirtschaftliche und menschliche Tragödie.

 

Diejenigen, die das alles wirtschaftlich überstanden haben werden, die werden sich nach der Krise sehr gut daran erinnern, wie sich einzelne Akteure in Zeiten der Not verhalten haben - ob berechtigt, alternativlos oder auch nicht. Damit meine ich nicht nur die Verbände, das wäre zu billig, sondern den gesamten Handel, eigentlich alle Geschäftspartner. Denn neben Funktionsträgern arbeiten in jedem Unternehmen Menschen. Und da menschelts nun mal. Die Industrie wird sich gut daran erinnern wie sehr der Online-Handel für sie die letzte Hoffnung in der Krise war und wie ohne Relevanz die Verbände - unverschuldet oder auch nicht. Um auch hier etwas klarzustellen, es gibt großartige Facheinzelhändler (von denen die einen Verbände brauchen und die anderen nicht). 

 

Im Ergebnis werden die Fachhandelsverbände sehr viele ihrer Mitglieder verloren haben, vielleicht Vertrauen verspielt und echte Relevanz vielleicht nie wieder zurückgewinnen können. Denn egal was kommt, das weiß niemand von uns, nach der Krise wird nicht einfach der Schalter umgelegt und alles ist wieder wie vorher. Sind Warenströme einmal umgeleitet und die letzten Scheren im Kopf der Industrie über Bord geworfen, dann wird sich die Industrie auf sich selbst, auf andere Kanäle und andere Partner konzentrieren (wollen/müssen). Mit all den Unwägbarkeiten und Nachteilen, die auch diese Entwicklung mit sich bringen wird. Denn einfach zu behaupten Verbände seien obsolet, auch das ist zu kurz geschossen. Trotzdem, die Gefahr ist groß, dass Verbände ganz schnell zu Königen ohne Land werden. 

 

Bleiben Sie gesund!

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Ulrich Scharf (Donnerstag, 19 März 2020 20:39)

    Am Ende dieser Krise wird in dieser Branche (in welcher auch sonst ;-) ein Kind in der Menge aufstehen und sagen: "Die Kaiser sind nackt. Und bis auf die Knochen ausgezehrt"

  • #2

    Markus Großweischede (Sonntag, 22 März 2020 13:38)

    Danke wie inmer für das provokative Statement, Peter, da es zum Nachdenken anregt. Auch wenn ich Deine Kritik hier so nicht teilen kann. Denn wenn Läden geschlossen, Ware für eine - hoffentlich überschaubare - Zeit stationär nicht an Konsumenten gebracht werden kann, gibt es wenige Alternativen zu einer Vollbremsung bis auf den Omnichannel-Anteil. Dass das für Lieferanten äußerst schmerzhaft ist, steht auf einem anderen Blatt.

    Was zwischen Deinen Zeilen steht, ist wichtig: Wir müssen heute bereits an übermorgen denken. Wie stellen wir uns - gemeinsam(!) - auf, wenn die Corona Krise überstanden ist?