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Peter Hollo: Adieu myToys

Was bis gestern Vormittag noch als Raunen in der Luft lag, das ist seit gestern Nachmittag wohl Gewissheit. Die Zeit von myToys ist abgelaufen. Nach vielen fruchtlosen Jahren und einige gut gemeinte Relaunches später hat die OTTO Group nun die Notbremse gezogen. Kein guter Start in das Jahr für die etwa 800 Mitarbeitenden in einem Unternehmen, welches sich 1999 aufmachte um das Flaggschiff des deutschen Online-Handels mit Spielwaren zu sein. Glaubt man den Zahlen, die jetzt kolportiert werden, hat man dieses Ziel renditemäßig in vergangenen 23 Jahren zu keiner Zeit nachhaltig erreicht.

 

Es tut mir weh das zu sehen. Denn ich denke dabei an 800 Menschen, die plötzlich vor dem beruflichen Aus stehen, Sozialplan hin oder her. Ich denke daran, dass es ein deutsches Unternehmen, das sehr hoffnungsvoll gestartet ist, wieder einmal nicht geschafft hat im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Und ich denke an zahlreiche Unternehmen innerhalb der Industrie, denen noch ein weiterer gewichtiger Kunde im Handel wegbricht. Was den einen oder anderen empfindlich treffen könnte und hoffentlich nicht mit in den Abgrund reißt. Denn Umsätze verteilen sich jetzt nicht einfach auf andere. Die sind in ganz erheblichem Maß einfach weg. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Belegen aus der Vergangenheit, die uns immer wieder nachdenklich gemacht haben.

 

Mit Sorge sehe ich, dass sich die Handelsseite, auch online, immer weiter konzentriert. Mit Folgen, welche weder die Branche noch die vielen Konsument*innen glücklich machen können. Man muss kein strammer Marxist sein um hier Parallelen zu dessen Konzentrationstheorie mit all ihren negativen Auswirkungen zu sehen. Im Kern und stark verkürzt: Ständige Krisen fördern die Konzentration und zwingen die Unternehmen dazu die deren beständig sinkenden Profite auf dem Rücken der Mitarbeitenden auszutragen. Aus legitimen Sparmaßnahmen wird dann leicht auch einmal Ausbeutung. Und wenn das im einzelnen Unternehmen nicht mehr hilft, Aufgabe und weitere Konzentration mit immer gigantischeren Playern. Ein sich permanent neu befeuerndes Perpetuum Mobile. Und it´s happening. Das ist keine bloße Behauptung. Selbst die großen internationalen Tech-Giganten hat es inzwischen erwischt. Auch diese haben zehntausende von Mitarbeitenden freigesetzt. Wildwest und geschenkte Profite sind auch hier vorbei.

 

Versöhnlich daran, vielleicht. Nichts hält für immer und niemand kann immer nur siegen. Das eigene Waterloo ist schon bei der Unternehmensgründung fest in die Unternehmensgeschichte eingraviert. Immer! Die apokalyptischen 100% Marktanteil des Online-Handels oder einzelner Player wird es nie geben. Alles verläuft in Wellen ...und Achtung, 5 Euro ins Phrasenschwein... das Pendel schlägt immer nach beiden Seiten aus. Immer. Was gleich bleibt ist die Klage, nur die Klagenden ändern sich. Als die ROFUs und Müllers auf den Plan traten, da klagte der Fachhandel. Als der Online-Handel auf den Plan trat, da klagten die stationären Ketten. Als Amazon auf den Plan trat, da klagten die übrigen Online-Händler ...und alle anderen. Wir werden sehen über was Amazon dereinst einmal klagen wird.

 

Und genau das ist es, mit dem wir uns jetzt beschäftigen müssen. Es wird eine Zeit nach den jetzt noch übermächtigen US-amerikanischen Online-Riesen geben, die derzeit nicht zu schlagen sind. Wir erinnern uns an das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate. Auch deren System trägt die Saat des Scheiterns bereits in sich. Was kommt danach? Die übermächtigen chinesischen Tech- und Online-Riesen? Etwas ganz anderes? Vieles wird davon abhängen wie Gesellschaften weltweit mit anstehenden Themen wie nachhaltigem Konsum oder gar Konsumverzicht, mit einem gerechteren Kapitalismus, mit dem Klimawandel oder ganz grundlegenden Werten wie Demokratie oder Diktatur umgehen werden.

 

Jetzt aber sagen wir zunächst einmal traurig Adieu zu myToys. Mit echtem Mitgefühl. myToys stand für frische Konzepte, Innovation, kreative Sortimentspolitik für die ganze Familie und ein engagiertes Team. Warum es am Ende trotzdem nicht gereicht hat, das werden andere analysieren. Dieses Unternehmen wird zukünftig vielen fehlen. Den Mitarbeitenden, den Lieferanten und den Konsument*innen.

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Kommentare: 1
  • #1

    Ulrich Scharf (Mittwoch, 08 März 2023 11:39)

    Das sind keine guten Nachrichten. Ich wünsche den Mitarbeitern der Zentrale und den Märkten, dass sie schnell neue Jobs und neue Aufgaben finden. Es war im Umfeld meiner Zeit bei der NTG immer eine Freude, mit Euch zu arbeiten.